Ich bin dann ´mal da

oder - frei nach Goethe -

„Nur wo man hingelaufen ist, ist man auch wirklich da gewesen!“

Mittwoch, 5. Juni 2013

Tag 116 - 05.06.2013

Ribadiso - Santiago - 42 km - 2704 km
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Es waren die Endorphine ...
So hatte ich mir die Ankunft vorgestellt!
Zugegeben, was da heute passierte, war so nicht geplant. Nach einem erholsamen Schlaf in einem 5er-Nichtschnarcherzimmer und einem kleinen Frühstück ging ich um kurz vor 8 Uhr los. Morgennebel lag zeitweise noch über den Wiesen. Es ging gleich aus der Herberge leicht bergan und so ließ ich meinen Füßen freien lauf. Ich muss gestehen, sie gingen mir durch; so wie dem Kutscher die Pferde. Alles Nachdenkliche, z. B. ja nicht zu früh an der nächsten Herberge ankommen, denn das bedeutet immer nur Warten bis diese öffnet, half nichts. Also plante ich Stopps in Bars, doch die kamen nicht - oder ich hätte einen Umweg laufen müssen! Und so kam es, dass ich nach drei Stunden fast kurz vor meinem angedachten Etappenende war. In diesem Moment - bei einer Mineralienpause - sprach der Pilger in mir: WIR schaffen das heute! Und so bescherten er und meine Füße mir einen unvergesslichen Nachmittag.
Das alles war aus mehreren Gründen möglich:
- das Wetter war angenehm sonnig, am Nachmittag sogar 27° im Schatten.
- meine Füße und Knie machten mit.
- es ging nur ab und zu auf und ab, kummuliert immerhin dennoch 1400 m hoch.
- es waren lange Passagen, die durch den Wald führten und Kühle und Schatten spendeten.
Aber das Allerwichtigste: bereits ab 12:30 Uhr lichtete sich die Pilgerschar extrem, da sie alle eine Unterkunft anstrebten. Ab 13 Uhr war ich mit meinem Pilger und ab und zu ein paar Fahrradpilgern alleine in der Sonne unterwegs.
Es war schon kurios. Selbst auf schmalen Wegen kommen den Pilgern PKWs entgegen und verteilen Werbezettel von Restaurants und möglichen Unterkünften. Ältere Männer haben ihr Mofa mit Obst und Getränke voll beladen und fahren 500 m VOR den Ort, um diese dort zu teuren Preisen anzubieten. Eine Büchse Limonade 1,50 €, eine Banane (klein à la bio) 0,50 - 0,70 Cent, ...
Wie WIR den nun doch zunehmend anstrengend werdenden Weg genossen. Sonne, die ich mir auf meinem langen Weg hier her oft wünschte, Ruhe, Vogelgezwitzscher und kein lautes 'Palaver' oder gar das metallene, monotone Klacken der Treckingstöcke auf dem Asphalt. Leere Pilgerwege vor mir, wann hatte ich dies das letzte Mal gesehen?
Etwa 5 km vor Santiago nahm ich mir die Zeit, die Kapelle San Marcos anzusehen und anschließend meinen Füßen etwas 'Frischluft' zu gönnen. Das obligatorische Foto von 'Monte do Gonzo' durfte natürlich auch nicht fehlen.
Danach ging es direkt nach Santiago. Der Wetterbericht sagt für morgen Bewölkung und später sogar Regen voraus. Heute trübte es sich am Nachmittsg zwar etwas ein, aber es war sonnig, als ich alleine Richtung Innenstadt ging. Kein Rucksackträger vor mir, keiner hinter mir. Meine Füße hatten längst ihren Schwung verloren, doch trugen sie mich dennoch in einem gebührend andächtigen Pilgerschritt bis vor die Kathedrale, deren große Glocke gerade 17 Uhr schlug.
Ich habe zwar schon öfter auf diesem Platz vor der Kathedrale gestanden, das letzte Mal im Herbst vor zwei Jahren, als ich zu Fuß von Porto hier ankam.
Aber 2700 km zu Fuß nach Santiago!
Ganz emotionslos ging deshalb die heutige Ankunft dennoch nicht von statten.

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