Ich bin dann ´mal da

oder - frei nach Goethe -

„Nur wo man hingelaufen ist, ist man auch wirklich da gewesen!“

Donnerstag, 2. Mai 2013

Tag 82 - 02.05.2013

Tiebas - Puente la Reina - 19 km - 1997 km
Die moderne Herberge in Tiebas verließ ich nach einem kleinen "selfmade"-Frühstück. Die Bar im Ort hatte noch geschlossen, so daß ich keine Getränke bunkern und auch kein Brot einkaufen konnte.
Es regnete. Ich entschied mich, heute nicht wieder unbedingt dem ausgeschilderten Weg mit seinen vielen "Auf und Ups" zu folgen. Ich suchte mir meinen Weg, der unter dem Strich sogar noch kürzer war.
Durch Feld und Wald führte mich der Weg. Einige Male blieb ich stehen, um den Vögeln zu lauschen, besonders der Nachtigal. In Enériz machte ich kurz Pause, kaufte für ein zweites Frühstück ein und genoss die Ruhe, selbst in diesem Ort.
Der nächste Halt folgte in Eunate. Eine Kapelle aus dem 12. Jahrh., die den Templern zugeschrieben wird. Doch mit Ruhe die Geschichte dieses Ortes studieren und die Stille in der Kapelle genießen zu können - war leider nichts. Zeitgleich mit meiner Ankunft spuckte ein Reisebus seine laut "schnatternde" Fracht aus; selbst in der Kapelle verstummte sie nicht. Einen Pilger, den ich hier wieder traf (wir hatten zusammen in Tiebas übernachtet), konnte ich gerade noch bitten, ein Foto zu machen, ehe er sich auch auf und davon machte. Eigentlich wollte ich in dieser Heberge übernachten, doch sie ist leider derzeit nicht in Betrieb.
Nach etwa weiteren vier Kilometer kam dann DER Schock. Zuerst dachte ich: das ist ein Wanderclub.
Von rechts kamen Wanderer; manche nur in Regenkleidung (ohne Rucksack), manche lehmverschmiert mit Wanderstock; andere hinkten mit schwerem Rucksack hinter anderen her - und es nahm kein Ende. Gar ein Wandermarathon? Nein, das waren die Pilger, die in SJPdP gestartet waren und nun wie ich den "Französischen Jakobsweg" nach Santiago gehen wollen. Du meine Güte! "Pilgerautobahn" ist eine milde Umschreibung des Massenaufkommens hier. Und Sprachen, selbst Japaner und Koreaner sind unterwegs.
Als ich in Puente "einlaufe", stehen schon viele Pilger am Ortseingang und lesen in ihren Schriften, wo sie übernachten könnten. Ich gehe zuerst in die Kirche, in der Christus an einer besonderen Kreuzesform dargestellt ist. Danach gehe ich zu 'meiner' Privat-Herberge; etwa 10 Pilger sind schon da. Sie hat 72 Betten und ist um 17 Uhr ausgebucht !!!
Hier geht es vielleicht zu; jeder läuft mit seinen Dreckschuhen bis vor sein Bett, wirft zuerst seinen Rucksack mit Regenschutz aufs Bett (die Bettwanzen freuen sich) und begrüßt dann lautstark Mitpilger, die er irgendwo schon einmal getroffen hat. Es ist schlimmer als bei den Anglern. Jeder war schneller, hatte den meisten Matsch an den Füßen, den schwierigsten Abstieg, den höchsten Puls seines Lebens und wußte zumindest, was einem morgen alles an Schwierigkeiten erwartet und wo man unbedingt übernachten sollte, da das Abendessen in der Bar gut. Jede Menge 'Selbstdarsteller' unter den Pilgern - und Alleinunterhalter!
Und dann die Buchungsmöglichkeit, sein Gepäck zur nächsten Herberge vorzuschicken (Jakotrans = JakobusTransport).
Man steht Schlange vor demjenigen, der den Antrag annimmt.
Ich entfliehe und besichtige ein bisschen die Stadt, die komplett auf Pilger eingestellt ist. Lebensmittelgeschäfte für Pilger, kleine Portionen, Verpflegung in Dosen, ...
Auch hier schleichen Pilger -so wie ich- durch die Gassen. Obwohl es sehr kalt ist  - viele in kurzen Hosen. Tja, Zipphosen. Die Beinlinge haben sie gewaschen und hoffen, dass diese in der Herberge bis morgen trocknen.
In der Herberge selbst hat sich eine polnische Pilgerfraktion getroffen. Vor jedem Entleeren des Glases wird erst einmal gemeinsam und laut ein Trinkspruch gesungen.
Ich hoffe auf baldige Nachtruhe - und morgen auf eine kleinere Herberge.

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